Darm-Operation

Dickdarm-Operation: Pro und Kontra

Kerstin BlumensteinAllgemein Leave a Comment

Die Entscheidung für eine Operation mit Dickdarm-Resektion ist sicher keine einfache. Der erste Gedanke ist vermutlich bei den meisten, habe ich denn schon alle anderen Optionen ausgeschöpft. Meine Antwort darauf: Nein, ABER.

Es gibt noch ein paar Medikamente, die ich probieren könnte. Nur hat bis auf Pentasa (Mesalazin) in den ersten beiden Jahren und danach dann hochdosiertes Kortison in den darauffolgenden drei Jahren nichts wirklich Besserung gebracht.

Eine Pro- und Kontra-Auflistung soll mir helfen, Klarheit über die Risiken und vor allem auch Folgen zu bekommen.

Argumente für die Operation

Keine Medikamente mehr mit einer langen Liste an Nebenwirkungen. Alle Nebenwirkungen hier aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Bei mir wäre zunächst einmal das Kortision weg und derzeit Remsima. Beim Vorgänger Xeljanz musste ich zusätzlich Cholesterin-Senker einnehmen, die damit auch nicht mehr nötig wären.

Langzeitfolgen von neuen Medikamenten unbekannt. Die meisten Medikamente, die jetzt noch zur Wahl stehen, sind gerade neu auf den Markt gekommen. Auch Xeljanz würde ich noch darunter zählen. Hier kann es einfach noch keine Studien zu Langzeitfolgen geben. Denn die beginnen erst mit der Markteinführung.

Bluthochdruck wieder im Normbereich? Mein Bluthochdruck ist aller Wahrscheinlichkeit durch das Kortison getriggert. Der hätte Potential sich dann wieder ohne Medikamente im Normbereich einzufinden.

Die Osteoporse ist ebenfalls durch das Kortison getriggert. Die würde sich wohl auch wieder einkriegen – zumal sie ja auch medikamentös behandelt wird.

Mein rechtes Auge ergänzt diese Aufzählung. Zum einen hat sich zuletzt ein Gestenkorn gebildet (bekannte Nebenwirkung von Remsima). Und seit einiger Zeit ist für mich ein kleiner Teil im Sichtfeld unscharf. Hier vermuten wir, dass das Kortison dran Schuld sein könnte. Das würd ich auch dann wieder loswerden.

Depression Ade? Seit letztem Jahr bin ich in psychotherapeutischer Behandlung und merke immer wieder deutlicher, wenn ich eine Verschlechterung habe, dass es meiner Psyche dann auch schlechter geht. Diese Schwankungen sind nicht sonderlich toll, weil eben auch unvorhersehbar. Nach einer OP könnten hier vermutlich auch zwei weitere Medikamente, die ich gegen die Depression und gegen Einschlafprobleme nehme, weg.

Hohe Erfolgsquote: Auch wenn es eine umfangreiche und nicht gerade einfache Operation ist, hat sie eine hohe Erfolgsquote. Über 80% haben eine verbesserte Lebensqualität nach der OP. Dazu im Vergleich: Die Medikamente haben oft nur 30 bis 40% Erfolgsquote in den Zulassungsstudien.

Von 15 bis 20 oder auch mal 30 unkontrolliert auf 2 bis 3 oder rund 5 kontrolliert am Tag. Im letzten Jahr war ich öfter auf der Toilette als außerhalb der Wohnung. Mit einem Stoma heißt es, dass man 2 bis 3 Mal am Tag ausleeren muss. Mit J-Pouch kann man wieder normal auf Toilette gehen, hier habe ich von rund 5 Mal am Tag gelesen nach bis zu einem Jahr Eingewöhnung.

Deutliche Verbesserung der Lebensqualität: Im letzten Jahr bestand mein Leben hauptsächlich aus Wohnung, Arzt- und Therapeuten-Besuchen und jetzt Krankenhaus. Zusätzlich noch zwei Reha-Versuche und ein Urlaubsversuch, der mehr Qual als Erholung war und das lag nicht an der Umgebung oder den Begleiter*innen (ob zwei- oder vierbeinig).

Inkontinenzprodukte zur Sicherung beim Verlassen der sicheren Umgebung sind nicht mehr nötig.

Unser Toilettenpapier-Verbrauch würde sich drastisch verringern.

Rasante Gewichtsreduktion: Rund 1 1/2 Meter Dickdarm wiegt ja auch einiges, das bin ich dann auch los. 😅 Ok, Spaß beiseite, da gäbe es auf Dauer gesündere Wege Gewicht zu verlieren, z.B. Kortison los werden.

Und vielleicht kann ich dann auch wieder irgendwann in einer Leitungsposition arbeiten. Das hatte ich, als ich mich noch nicht konkret mit der Operation beschäftigt hatte, definitiv ausgeschlossen. Der Grund: Selbst, wenn wir ein Medikament finden, was wirkt, muss ich mein Arbeitsumfeld so gestalten, dass ich möglichst dadurch nicht wieder einen Schub verstärke. Diese Aufmerksamkeit auf mich selbst, werde ich auch nach einer möglichen OP haben (müssen). Aber es gibt keine Ungewissheit im Auftreten von Schüben mehr, wenn der Endgegner zusammen mit meiner unsichtbaren Begleiterin elimiert wurde.

Es spricht scheinbar einiges für die OP, wie man liest. Für die Kontra-Liste habe ich mir zum Anstoß Hilfe von einem anderen Blog geholt und geschaut, was die fünf angeführten Argumente dagegen für mich bedeuten.

Argumente gegen die Operation

„Es gibt kein Zurück“: Diese Entscheidung ist definitiv endgültig. Wenn der Dickdarm raus ist, ist er raus. Die „Angst“, dass ein Wundermittel entwickelt wird, das alle CU-Patient*innen heilt, habe ich nicht. Realistisch ist das in den nächsten zwei Jahren nicht, weil einfach die Entwicklung und Zulassung zu lange dauert. Und ehrlich, ich möchte nicht mal mehr ein weiteres Jahr in diesem Zustand leben. 

„Temporäres Stoma“: Der Gedanke ist für mich kein gewichtiges Kontra-Argument, weil ich mir sogar vorstellen könnte, nicht den J-Pouch zu wählen, sondern ein dauerhaftes Stoma. Für andere mag das befremdlich klingen, dauerhaft einen Beutel am Bauch hängen zu haben. Aber 2 bis 3 Mal am Tag kontrolliert einen Beutel zu leeren vs. x Mal am Tag mit unkontrolliertem Stuhlgang und Schmerzen im Bauch auf die Toilette rennen zu müssen, bedeutet schon eine wesentliche Verbesserung für mich. Ob J-Pouch oder Dauer-Stoma – diese Überlegung kommt aber erst im nächsten Schritt.

„Lange Ausfallzeiten“: Ja gut, ich bin seit über einem Jahr im Krankenstand, habe diese lange Ausfallzeit also jetzt schon. Mein Krankengeld läuft Ende August aus und da ich noch immer in einer Anstellung bin (Ein echtes DANKE an die Fachhochschule St. Pölten, hier wird auf mich gewartet), ist die Situation bei der Krankenkasse nicht so einfach. So lange kein negativer Bescheid der Pensionsversicherung zur Berufsunfähigkeit (respektive zum Rehabilitationsgeld) da ist, kann ich kein Sonderkrankengeld beantragen. Aber vielleicht geschieht ja ein Wunder und der Antrag geht mit der ersten Begutachtung noch bis Ende August durch, warten wir ab.

„Komplikationen“: Die kann es bei Operationen immer geben, ja. Ich fasse mal das zusammen, was Lasse recherchiert hat. Das Sterberisiko ist sehr gering (unter 1%). Also nicht wirklich ein Grund zur Sorge. Blutungen und unbeabsichtigte Verletzungen von umliegenden Organen oder Nerven während der OP kommen mit 2 bis 12% vor. Auch das Risiko ist im vertretbaren Rahmen, würde ich meinen. Die höchste Wahrscheinlichkeit haben Komplikationen nach der Operation mit 25%. Dabei kommt es immer wieder zur Undichtheit der Nahtstellen beim Pouch (Anastomoseninsuffizienz) oder bei verbundenen Darmteilen. Auch ein Aufplatzen der Bauchnähte, Infektionen oder eine gestörte Darmpassage sind möglich. Hierfür wäre mir wichtig, dass ich nicht zu lange Wege zum Chirurgen habe. Damit falls etwas passiert, rasch reagiert werden kann.

„Keine Erfolgsgarantie“: Jo, die habe ich auch nicht bei den Medikamenten. Was aber dahinter steckt ist, dass die Colitis Ulcerosa mit der Entfernung des Dickdarms sich nicht mehr im Dickdarm bemerkbar machen kann, aber in Ihren Begleiterkrankungen schon auch weiterhin. Relevant sind hier Arthitis, Augen- und Hauterkrankungen oder die primär sklerosierende Cholangitis. Meine Augen- und Hautprobleme haben wir in erster Linie mit der Langzeitkortisongabe in Verbindung gebracht, Anzeichen von anderen Erkrankungen sind derzeit nicht zu finden. Von dem her, gibt es Hoffnung, dass mit der Operation meine unsichtbare Begleiterin eingedämmt werden könnte.

Meine unsichtbare Begleiterin wird zu einer sichtbaren: Bei dem Punkt kann man sich, über pro oder kontra streiten. Bisher hat, wenn ich es nicht wollte, niemand etwas von meiner Erkrankung mitbekommen. Es sei denn, der- oder diejenige verfolgt diesen Blog hier. 😅 Durch den Stomabeutel, der am Bauch hängt, kann es zumindest in beispielsweise in Sommer-Situationen wie bei Schwimmen dazu kommen, dass meine Beeinträchtigung sichtbar wird. Mein Aber: Ich gehe jetzt schon offen mit meiner Erkrankung um, so dass ich davon überzeugt bin, dass ich auch mit dieser sichtbaren Einschränkung sehr gut leben kann.

Die beiden Listen lesen sich eigentlich eindeutig. Wenn das jemand hier liest und speziell für die Kontra-Liste, Argumente hat, die ich noch nicht berücksichtigt habe, dann bitte hinterlasst einen Kommentar.

Bevor ich meine endgültige Entscheidung treffe, möchte ich erstmal noch zwei Gespräche führen. Mit zwei Ärztinnen, die mich in den letzten Monaten auf der Station und auch schon zuvor durch das letzte Jahr begleitet haben.

Quellen:
Streibel, L. (2023). Mein Weg zum J-Pouch: Alle Erfahrungsberichte. Abgerufen am 07.08.2023 unter https://colitisblog.de/mein-weg-zum-j-pouch-alle-erfahrungsberichte/.

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