Der Stuhl

Kerstin BlumensteinAllgemein 1 Comment

Das vielleicht aktivste, was jemand von meiner unsichtbaren Begleiterin – der Colitis Ulcerosa – mitbekommt, ist nicht unbedingt die Häufigkeit aber die Dringlichkeit des Stuhlgangs. Gleichzeitig ist unser Stuhl ein Thema, über das wir nicht gerne sprechen. Ich kann mittlerweile in jeder Lebenslage darüber sprechen – auch beim Essen – sehr zum Leidwesen meines Mannes.

Wenn ich über Stuhl bei meiner Colitis Ulcerosa schreibe, dann sind für mich folgende Themen interessant: die Dringlichkeit, die Frequenz und die Konsistenz. Die Farbe ist auch noch spannend, nur bin ich noch nicht dahinter gestiegen, ob die mir etwas sagen kann.

Die Dringlichkeit des Stuhls

Die Dringlichkeit war ja schon Thema in Colitis Ulcerosa, wer begleitet mich da. Wenn es kommt, dann kommt es. In einem Schub hilft bei mir auch nicht Po-Backen zusammen kneifen, tief einatmen, meditieren oder sonstige Versuche den Stuhl zurück halten zu wollen. Deshalb kam es auch schon vor, dass ich aus Meetings schnurstracks ohne viele weitere Worte verschwinde. Zu Hause ist das nicht so das Problem, weil die Toilette nicht weit ist – glücklicher Weise wohnen wir nicht in einem Palast. Es wird maximal zur Herausforderung, wenn mein Mann und ich gleichzeitig aufs WC müssen oder er bereits auf dem WC ist. Manchmal kommt es vor, dass er fragt, ob er gehen kann. Was eigentlich äußerst nett ist, ist jedoch für mich oft nicht zu beantworten. Weil jetzt gerade kann es gut sein, aber was in einer Minute ist, das weiß, wenn überhaupt, nur meine unsichtbare Begleiterin.

Wenn ich in Remission bin, ist meine Begleiterin und damit die Dringlichkeit des Stuhls leider nicht weg. Es ist nicht ganz so krass, wie gerade beschrieben, aber auch dann heißt es, was kommt, das kommt – Toilette, wo bist Du? In dem Zusammenhang möchte ich einen Appell an Architekt*innen los werden. Es wird immer davon gesprochen, das ein Gebäude behindertengerecht gebaut wird. Was allerdings in der Regel gleichbedeutend ist mit Mobiltätseingeschränkt. Achtet mal drauf, wie weit die Toiletten in Gebäuden von Eingängen entfernt sind. Mit einem Rollstuhl super zu erreichen, sogar schneller als zu Fuß. Aber für Menschen wie mich ewig weit weg. Ich glaub, dazu wird es in nächster Zeit einen separaten Blogpost geben.

Die Frequenz des Stuhls

Das Geheimnis habe ich bisher noch nicht gelüftet: Von wie oft am Tag reden wir hier eigentlich? Wenn nur einmal, dann wär ja doch alles nicht so schlimm. Das kann man schon aushalten. Normaler Stuhlgang, also wenn ich in Remission bin, ist bei mir ein Mal am Tag, manchmal sogar nur alle zwei Tage. Davon träum ich derzeit – hm… obwohl so viel Zeit ist derzeit nicht zum Träumen, Schlaf ist gerade nicht so an der Tagesordnung.

Ein beginnender Schub zeigt sich, wenn sich also das eine Mal erhöht. Okay, okay. Es gibt auch „normale“ Situationen, bei der jede*r von uns vielleicht einmal mehr aufs WC muss – bei Aufregung z.B. wenn die erste Sponsionsrede als Studiengangsleiterin ansteht. Signal für mich ist aber mittlerweile, wenn ich so bei 3 Mal ankomme und sich auch konstant die Konsistenz verändert. Sollte ich dann nicht zeitnah einen Termin bei meinen CED-Ärzt*innen im Klinkum in St. Pölten haben, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um anzurufen. Im Schub reden wir hier bei mir von 10 bis 15 Mal am Tag. Wenn man das also über den Tag verteilt, bedeutet das, dass ich fast jede Stunde auf dem Klo verbringe. Das Thema Schlaf könnt Ihr Euch nun vermutlich erklären. Es ist tatsächlich so, dass es sich derzeit auf den Abend, Nacht, Morgenbereich konzentriert. Das kann sich aber auch jeden Tag ändern.

Die Konsistenz des Stuhls

Bei 10 bis 15 Mal am Tag, was kommt denn da überhaupt noch hinten raus? Ich erinnere mich immer wieder gerne an einen Satz von dem gleichen Herrn Doktor, der mir damals die Diagnose mitteilte: „Was oben rein kommt, muss unten wieder raus.“ Naja, also in der richtig aktiven Phase des Schub kommt oben garnicht so viel rein, weil mein Körper von sich aus meint, Essen wird überbewertet. Dennoch ist die Frequenz so hoch. Bei dem überwiegenden Teil der Klobesuche reden wir dann oft nur von Schleim und Blut in Miniportiönchen – die Schmerzen nicht zu vergessen bei der Darmpassage. Selbst Pupser (in Fachkreisen Flatulenz genannt) verursachen den Drang aufs Klo, weil „frau“ weiß nicht, ob es wirklich nur Luft sein wird. Das Gefühl dafür ist nicht existent.

Ja, und wenn es dann wieder etwas mehr wird, also über Schleim und Blut hinausgeht, gibt es eine sehr schöne Übersicht aus dem Buch Darm mit Charme von Guila Enders. Ein echt lesenswertes Buch zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Darm – nicht nur, wenn man krankheitsbedingt mit ihm zu kämpfen hat. Guila Enders beschreibt hier die Bristol Stuhlformen-Skala, in der sieben Typen unterschieden werden: 1) einzelne feste Kügelchen, 2) wurstförmig, aber klumpig, 3) wie eine Wurst, aber mit Rissen, 4) wie eine Wurst, glatt und weich, 5) weiche Kekse mit klar abgetrennten Rändern, 6) flockige Stückchen mit zerklüfteten Rändern, breiiger Stuhl und 7) wässrig, keine festen Bestandteile.

Bristol Stuhlformen-Skala
Bristol Stuhlformen-Skala, Copyright: CC-by-sa 3.0, Original Uploader Kylet. Spätere Versionen von Juppiter.

Der Normalzustand unseres Stuhls sollte bei uns allen Typ 4 sein. Typ 1 bis 3 deuten auf Verstopfungen hin, Typ 5 bis 7 auf Durchfall. In der akuten Schubphase bewege ich mich zwischen Typ 6 und 7. Aktuell bin ich unter Kortison auch schon bei Typ 5 angekommen, vorgestern war auch schon ein wenig Typ 4 dabei. Gestern allerdings wieder 5 und 6. Meine Stuhlgänge, ihre Konsistenzen und Begleiterscheinungen dokumentiere ich mir mit in einem Notizbuch, um zum einen die Fragen, der Ärzte beantworten zu können und zum anderen Muster zu erkennen. Da kommt die Wissenschaftlerin durch. Ich bin immer noch auf der Suche nach einer gescheiten digitalen Erfassung, die auch die Zusammenhänge visualisiert. Aber vermutlich muss ich das selbst entwickeln.

Ihr seht also, über Stuhl kann man reden, ganz sachlich ohne rot zu werden.

Quellen
S. J. Lewis & K. W. Heaton (1997) Stool Form Scale as a Useful Guide to Intestinal Transit Time, Scandinavian Journal of Gastroenterology, 32:9, 920-924, DOI: 10.3109/00365529709011203

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