Im Post „Expertin der eigenen Krankheit“ habe ich das Wort das erste Mal erwähnt. Ihm wird nachgesagt, meine unsichtbare Begleiterin, die Colitis Ulcerosa, zu beeinflussen. Das war immer schon mal Thema die letzten Jahre. Wenn ich darüber nachgedacht habe, bin ich immer zu dem Schluss gekommen, ich hab keinen Stress – das, was ich tue, macht mir doch Spaß. Heute weiß ich, wie naiv, diese Aussage doch ist… In diesem Post möchte ich mich jetzt einmal mit Stress und dessen möglichen Einfluss auf unseren Körper auseinander setzen.
Aber, was ist Stress eigentlich?
Eine Definition der WHO besagt sinngemäß folgendes: Stress ist jede Art von Veränderungen, die eine körperliche, emotionale oder psychische Belastung darstellt. Es ist eine Körperreaktion auf alles, was Aufmerksamkeit oder Aktion erfordert. Wir erleben also alle in gewissem Maße Stress. Entscheidend für unser allgemeines Wohlbefinden ist jedoch, wie wir darauf reagieren.
Stress wird übrigens als „eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts“ durch die WHO (Weltgesundheitsorganisation) bewertet.
Wie macht sich Stress bemerkbar?
Hier gibt es viele Varianten. Das macht es auch durchaus schwierig sich einzugestehen, dass man unter Stress leidet. Ängste, Sorgen, erhöhte Herzfrequenz, Atembeschwerden, veränderte Essgewohnheiten, erhöhter Konsum von Alkohol, Tabak und andere Drogen, Konzentrationsschwierigkeiten, Störungen des Schlafverhaltens und Verschlimmerung von Gesundheitsszuständen (körperlich und geistig) werden von der WHO angeführt.
Tja und was soll ich sagen, wenn ich mir das jetzt so durchlese, wären in jedem Fall die letzten drei vor meinem langen Krankenstand (und auch noch während) Signale gewesen.
Wirklich registriert habe ich das aber erst als ich das Buch „Das 5-Minuten-Rückentraining“ gelesen habe. Ihr lest richtig: ein Rückenbuch 😳 Es ging darin eben auch darum, warum zu viel Stress ungesund ist. Und es gab sogar Erklärungen inklusive Zusammenhänge mit Hormonausschüttung.
Wir lesen häufig leider nur, dass sich Stress auf unser Gehirn und auf unsere Köper auswirken kann. Zu viel Stress kann zu Kampf-, Flucht- oder Erfrierungsreaktion führen. Ich hätte gemeint, dass ich nichts davon hatte, also doch kein Stress? Meine Psychotherapeutin wär da mit Sicherheit anderer Meinung. Sie würde sich aus den drei Reaktionen die Fluchtreaktion raussuchen: Immer in Bewegung – die Hände, die Füße, selbst wenn am Wochenende mal Zeit zu Erholung war, hab ich in der Regel das Tablet in der Hand und mache etwas, auch wenn es nur Puzzles sind.
Positiver und negativer Stress
Ja, aber warum konnte ich das jetzt vor ein paar Wochen erkennen und die ganzen Jahre davor nicht? Ich hätte, wenn ich nicht an Covid im August erkrankt wäre, mit Sicherheit auch schon wieder gearbeitet. Wenn da nicht das Rückenbuch gewesen wäre. Und ich habe gelernt, dass man Eustress und Distress unterscheidet. Ok, die beiden Worte hatte ich schon 2021 bei meiner ersten Reha in Bad Aussee gehört – aber wie so vieles nicht weiter beachtet.
Eustress, der positive Stress, tut uns eigentlich gut. Er pusht uns und macht uns glücklich. Workaholics 🙈 leiden übrigens unter Eustress. Was macht unser Körper bei Eustress? Er schüttet das (eigentlich) positive Hormon Adrenalin aus. Zwei Sachen, die für mich aufleuchten, wenn ich mich mit Adrenalin, wenn es dauerhaft produziert wird, beschäftige, sind Bluthochdruck und der Einfluss auf den Stoffwechsel. Interessant war z.B. das nach fast 6 Monaten im Krankenstand meine Stuhlfrequenz niedriger war, aber der Entzündungswert im Stuhl sehr deutlich eine Entzündung anzeigt. Für mich lässt sich das durchaus mit weniger Stress und damit auch weniger Adrenalin-Ausschüttung erklären. Interessant ist auch, dass seit dem ich im Krankenstand bin, mein Blutdruck niedriger ist, in der Reha ging er wieder nach oben bei gleichbleibender Medikation – aber mehr Aktivität.
Wenn es positiven Stress gibt, dann muss es auch negativen geben – den Distress. Hier sprechen wir von destruktivem oder auch zerstörerischem Stress. Die Einflüsse des Distress haben mir rascher die Augen geöffnet als die vom Eustress. Distress hängt nämlich mit der körpereigenen Kortisol-Produktion zusammen. Hat man negativen Stress wird mehr Kortisol produziert. Kortisol ist das menschliche Gegenstück vom Kortison. So hat die erhöhte Kortisol-Produktion bei Distress die gleichen Auswirkungen wie die Einnahme von Kortison. Das eigentlich Positive ist die entzündungshemmende und abschwellende Wirkung. Aber es kommt genauso auch zu den vielen Nebenwirkungen: u.a. Gewichtszunahme, Stoffwechselverlangsamung (wobei das nicht immer negative sein muss 😉), Muskelschwund und Osteoporose, Diabetes, Wassereinlagerungen, Angriff des Muskel- und Skelettapparates. Kurzzeitige Erhöhungen (durch Kortison oder in Stresssituationen) sind ok, aber langfristige Gaben oder dauerhafte, hohe Kortisolspiegel sind nicht gut für den Körper.
Die Auswirkungen des Distress
Meine Augen bzgl. negativem Stress bei mir hat nun folgendes geöffnet: Ich war sowohl 2021 als auch 2022 für ein paar Monate Kortison-frei mit kaum Beschwerden (Remission hätte man es nennen können). Ich bin davon ausgegangen, dass das Biologika wirkte, aber kurze Zeit später war der Schub wieder aktiv. Eigentlich immer, wenn es ein wenig in Richtung Erholung ging. Mit diesem Wissen über negativen Stress erkläre ich mir Situation nun so: Ich war nie aus dem Schub heraus seit 2020. Der theoretisch sinkende Kortisol-Spiegel als ich kein Kortison mehr genommen habe, wurde durch körpereigene Kortisol-Ausschüttung aufgrund von Stress kompensiert und damit über das Nicht-Anschlagen der Biologika hinweg getäuscht. Als es dann Richtung Erholung ging, hat auch die erhöhte Kortisol-Produktion nachgelassen und ich war wieder im Schub. Ich hatte also negativen Stress, obwohl ich alles, was ich gemacht habe, gern gemacht habe.
Jetzt im Moment merke ich z.B. dass die Kortison-Höhe, die mir bisher immer gut geholfen hat, nur ein wenig hilft. Was sich wiederum durchaus mit früherem Distress erklären lassen könnte. Ich habe derzeit keinen Distress und damit dürfte mein Körper nicht noch zusätzlich Kortisol produzieren.
In dem Zusammenhang ist auch spannend zu beobachten, dass meine Stuhlgänge derzeit ganz deutlich vom Kortisol-Spiegel abhängen. Unser natürlicher Kortisol-Spiegel ist in der Früh am höchsten und nimmt dann über den Tagesverlauf ab. Meine Darmaktivität läuft derzeit genau gegensätzlich. Tagsüber eher niedrig, abends und nachts definitiv erhöht.
Die derzeitigen Lehren daraus?
Zunächst einmal war das Bewusstsein wichtig. In Wirklichkeit hatte ich Signale nicht erkannt, weil schon nach der Diagnose hatte ich immer, wenn ich in Urlaub gegangen bin eine Verschlechterung der Krankheitsaktivität. Ich habe den Eindruck, dass das schon fast als normal angesehen wird in unserer Gesellschaft – in den meisten Fällen sind es nur Erkältungen. Mit meinem heutigen Wissen sollte eine Erkrankung zu Beginn einer Erholungsphase aber das erste Alarmsignal für jemanden sein, dass negativer Stress im Spiel sein könnte.
Der zweite Schritt bei mir wird – wenn ich denn dann wieder arbeitsfähig bin – eine Veränderung meines Arbeitens sein. Hier fehlen mir noch einige Antworten, wie und was genau. Ich weiß aber immerhin, dass ich etwas ändern muss, um mir, meinem Körper mit meiner unsichtbaren Begleiterin, die Chance zu geben, die nächsten Jahre auch meiner Arbeit nachgehen und weiterhin Studierende in Ihrer Entwicklung begleiten zu können.
Quellen:
M. Eckard (2021). Das 5-Minuten-Rückentraining. Humboldt.
World Health Organisation (2021). Abgerufen am 30.10.2022 unter https://www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/stress.
Update 19.01.2023: Ein kleines Update zu dem Punkt, dass das Kortison beim Schreiben des Beitrages nicht wirklich seine Wirkung erzielt hat. In einer Stuhlprobe Anfang Dezember wurde der Darmparasit Blastocystis hominis nachgewiesen. Zunächst wurde eher auf ein falsch-positives Ergebnis getippt, da der Parasit eher in Entwicklungsländer auftritt (Verseuchtes Trinkwasser, verunreinigte Lebensmittel und ich ja nun die letzten Monate definitiv nicht unterwegs war. In der Kombination mit dem Nicht-Ansprechen des Kortisions haben wir uns dann aber doch dazu entschlossen ein Antibiotika (Anarobex – Wirkstoff: Metronidazol) hinzuzunehmen. Das hat recht rasch seine Wirkung erzielt und das Koritison hat wieder brav arbeiten können.
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